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Dienstag, 11. September 2012

Jugendgericht lässt Jungfräulichkeit testen

Zwei Versionen einer Beziehungsgeschichte Jugendgericht lässt Jungfräulichkeit testen NÜRNBERG - Ein Gutachten zur Jungfräulichkeit, ein Angeklagter, der im Gerichtssaal verhaftet wird, und zwei junge Menschen, die vollkommen unterschiedliche Versionen einer Beziehungsgeschichte erzählen: Mit einigen Überraschungen begann ein Stalking-Prozess vor dem Nürnberger Jugendgericht. Wenn es stimmt, was Faizah N. (Name geändert) im Zeugenstand des Nürnberger Jugendgerichts erzählt, hat sie in den vergangenen sieben Jahren eine unglaubliche Leidensgeschichte erlebt: 2004 lernte die junge Frau aus einer Großstadt in Norddeutschland über einen Internetchat den Nürnberger Tarek S. (Name geändert) kennen. Die beiden im Irak geborenen Jugendlichen tauschten Handynummern und E-Mail-Adressen aus. Einige Monate lang verstanden sie sich blendend – bis Faizah N. dem Nürnberger die Festnetznummer ihrer Familie gab. Ein fataler Fehler, wie die junge Frau heute sagt. „Ab diesem Zeitpunkt hat er sich um 180 Grad geändert. Er war nicht mehr der Mensch, den ich kennengelernt habe.“ Unter Tränen schildert die zierliche Studentin ihre Version der Beziehung, die ihrer Ansicht nach bereits im Jahr 2005 schon wieder beendet war. Tarek S. habe gedroht, ihre Eltern über ihre Beziehung – die ihrer Aussage nach rein freundschaftlich war – zu informieren. Ihr Vater sei sehr streng, Erfolg in Schule und Studium habe für ihn oberste Priorität, einen Freund habe sie nicht haben dürfen. Aus Angst vor ihrem Vater habe sie alles gemacht, was Tarek von ihr verlangte, so die 26-Jährige. Wenn er sie nicht auf ihrem Handy erreichte, habe er ununterbrochen auf dem Festnetz ihrer Eltern angerufen. Als er in ihrer Heimatstadt in einem Hotel übernachtete, soll er sie überredet haben, ihn dort zu besuchen. Dort soll er zudringlich geworden sein, erzählt die junge Frau schluchzend. „Er hat versucht, mich zu vergewaltigen.“ Einen ähnlichen Fall soll es im Jahr 2008 gegeben haben: Er setzte sie unter Druck, ihn in Franken zu besuchen. Als sie sich weigerte, mit ihm zu schlafen, habe er sie geschlagen, zu Boden geworfen und getreten. Überhaupt habe er sie mehrfach geschlagen – auch vor den Augen seiner Mutter und seiner Schwester. Ihr Exfreund sei ein Spieler, so die Studentin. Er habe sie mehrmals gezwungen, Mobilfunkverträge mit hochwertigen Handys für ihn abzuschließen. Er selbst habe wegen eines Schufa-Eintrags keine Verträge bekommen. Die Geräte soll er verspielt haben. Außerdem soll er Todesdrohungen ausgesprochen haben. „Er hat gesagt, er würde mich umbringen, damit mich kein anderer kriegt“, so die 26-Jährige. Auf die Frage, warum sie sich das alles so lange gefallen hat lassen, zuckt die zierliche Frau mit den Schultern. Sie erzählt, sie sei wie gelähmt gewesen. „Er wusste, wie viel Angst ich vor meinen Eltern habe. Ich wollte doch nur, dass er mich in Ruhe lässt“. Zur Polizei ging Faizah N. erst, als Tarek S. ihr im Dezember 2010 per SMS einen Link zu einem Video schickte, bei dem das Gesicht einer Frau mit Säure entstellt wird. Dabei soll er angedeutet haben, ihr Ähnliches anzutun. Ein Kontaktverbot, das die Beamten damals aussprachen, hielt den Mann offenbar nicht ab, Faizah N. und ihre Familie weiter mit Anrufen zu terrorisieren. Die Anklageschrift listet Hunderte Anrufe von einer unterdrückten Rufnummer auf. Eine Freundin, die ihr Leid nicht mehr mit ansehen konnte, habe eines Tages das Telefon mit Tarek S. am anderen Ende der Leitung an ihren Vater weitergereicht, so Faizah N. Der Vater reagierte ganz anders als erwartet – er hielt zu seiner Tochter. Tarek S. streitet alle Vorwürfe ab und präsentiert dem Gericht eine ganz andere Version der Beziehungsgeschichte: Er sei bis ins Jahr 2010 mit Faizah N. liiert gewesen. Sie hätten sich gegenseitig Handys geschenkt. Es sei in ihrem Kulturkreis üblich, sich wertvolle Geschenke zu machen, so der 25-Jährige. Auch sei sie regelmäßig nach Franken gekommen, um ihn zu besuchen. Sie hätten in der Wohnung von Familienmitgliedern in Nürnberg oder Stein übernachtet. Niemals will er sie geschlagen haben. „Ich habe sie geliebt, ich wollte sie heiraten“, so Tarek S. Der Produktionshelfer behauptet außerdem, dass er regelmäßig Sex mit seiner Freundin gehabt habe und dass der Wunsch dazu immer von ihr aus gegangen sei. Faizah N. beteuert dagegen vor Gericht, nie mit dem Nürnberger geschlafen zu haben. Sie sei sogar noch Jungfrau. Verteidigerin Petra Leingang forderte daraufhin, ein Jungfräulichkeitsgutachten in Auftrag zu geben. Die Vorsitzende Richterin Gabriele Gemählich gab dem Antrag statt. Das Ergebnis soll an einem der nächsten Prozesstage in die Verhandlung einfließen. Ein weiteres Gutachten eines Psychiaters soll über die Schuldfähigkeit von Tarek S. Aufschluss geben. Außerdem soll die Psychologin, bei der die junge Frau in Behandlung ist, in den Zeugenstand treten. Für eine weitere Überraschung sorgte Staatsanwalt Dominik Steinauer: Er beantragte Haftbefehl und ließ den 25-Jährigen noch im Gerichtssaal verhaften. Für den Prozess sind vorerst zwei weitere Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist wohl erst Mitte September zu rechnen. Wenn es stimmt, was Faizah N. im Zeugenstand berichtet, müsste sich Tarek S. wegen einer ganzen Reihe von Straftaten verantworten. Die Anklageschrift listet unter anderem vorsätzliche Körperverletzung, Nötigung, Erpressung, Bedrohung, Nachstellung und Betrug auf.

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