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Dienstag, 11. September 2012

Stalking: Einigung vor Gericht

Ein Architekt soll einer Arzthelferin nachgestellt haben / Im Strafprozess wird der Richter zum Vermittler und findet eine Lösung ohne Urteil Neumünster. Es ist selten, dass ein Strafrichter zum Mediator wird, also zum Vermittler zwischen dem Angeklagten und seinem Opfer. Im Amtsgericht war das gestern der Fall. "Das habe ich auch noch nicht erlebt", sagte Richter Aykut Tuncel nach dem Prozess. Auf der Anklagebank saß ein Architekt (68) - wegen Stalkings. Anzeige gegen ihn erstattet hat eine Arzthelferin (52) aus Bad Bramstedt. Laut Staatsanwältin stellte der Mann ihr von Januar bis November 2011 nach. So soll der passionierte Radler vor dem Mehrfamilienhaus der Arzthelferin gewartet haben oder dort immer wieder mit dem Fahrrad vorbeigefahren sein. Er soll ihr erst Karten und Briefe geschickt haben, dann pornografische Bilder und eine Freikarte fürs Bordell. Außerdem hatte sie irgendwann einen String-Tanga mit FC-Bayern-München-Aufdruck in der Post. Beide Seiten haben sich für die Verhandlung präpariert: Der Angeklagte mit Karten seiner Radwege und einem identischen Höschen in der Tasche, die Zeugin, eine blonde Frau mit sanfter Stimme, hat fünf Zeugen mitgebracht - obwohl es gar keine gerichtliche Zeugenliste gibt. Kennen gelernt hatten sich die beiden im "Coffee Shop" des Rheuma-Zentrums Bad Bramstedt - dort wurde ein Fußballspiel übertragen. "Sie trug ein Bayern-Shirt, ich bin HSV-Fan, so kamen wir ins Gespräch", sagt der Angeklagte. Es kam zu weiteren Treffen. "Es war eine gute Bekanntschaft", erklärt der Angeklagte und gibt zu, Karten und Briefe geschickt zu haben, aber keine pornografischen Bilder. Tatsächlich wurde bei einer Hausdurchsuchung der Polizei kein derartiges Material gefunden. Der Richter will wissen: "Warum aber schickt man einer Bekannten Dessous?" Der Angeklagte sagt: "Das war abgesprochen. Sie hat immer nach Bayern-München-Dessous gesucht, ich habe sie gefunden." Die Frau jedoch ging zur Polizei und fotografierte den Mann. Sein Bild hängte sie ins Treppenhaus, verbunden mit der Bitte: Wenn Sie diesen Mann sehen, wählen Sie 110. Dadurch fühlte der Mann sich verfolgt, er klagte auf Schmerzensgeld. Dem Richter versichert er: "Ich will nichts von dieser Frau, ich habe da keine Ambitionen." Der Anwalt der Frau erklärt: "Und wir haben kein Interesse an der Verhängung einer Strafe in diesem Prozess. Wir wollen eine Lösung." Der Richter sagt zu den Kontrahenten: "Was wirklich passiert ist, wissen nur Sie beide. Sie müssen sich entscheiden: Dieser Fall könnte die Gerichte noch ein bis zwei Jahre beschäftigen. Würden Sie damit glücklich werden?" Der Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst und tut sich schwer mit einem Vergleich, stimmt aber zu. Angeklagter und Nebenklägerin dürfen nun keinen Kontakt mehr miteinander aufnehmen, die zivile Klage wird zurückgezogen, Stillschweigen über die Auseinandersetzung vereinbart. Die Staatsanwältin stellt das Strafverfahren ein. "Ich wünsche mir nun, dass jeder seine Ruhe hat und wir uns hier nicht mehr wiedertreffen", sagt Richter Tuncel.

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