quelle: pixelio.de - Stalkingkinder
Besonderheiten gibt es bei einer Stalkingsituation mit Kindern. Bei unseren Beschreibungen gehen wir hier davon aus, dass es sich bei dem Stalker um den Vater der Kinder handelt (statistisch die häufigere Gegebenheit).
Es kommt relativ häufig vor, dass der Vater - der Stalker - seine Sorgerechtsforderungen und sein Umgangsrecht dazu nutzt, um die so gewonnenen Informationen für sein Stalking zu nutzen.
Für uns ist es nach wie vor unbegreiflich, dass eine Stalkingsituation für das Umgangsrecht in der Praxis keinerlei Auswirkungen hat und fordern hier dringend eine Änderung des Umgangsrechts!
Wichtigster Rat von allem: Passen Sie auf sich auf! Achten Sie auf Ihre körperliche und psychische Gesundheit. Denn wenn Ihnen etwas passiert, kommen die Kinder zum Vater!
Das Jugendamt
Das Jugendamt wird bei einer Trennung oder Scheidung dann hinzugezogen, wenn Kinder betroffen sind und sich die Eltern nicht über die Belange der Kinder einigen können. Das Jugendamt hat die Aufgabe, die Interessen der Kinder zu vertreten.
Definition:
Als öffentlicher Jugendhilfeträger ist das örtliche Jugendamt für die Vergabe von Leistungen im Sinne des 2. Kapitels des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) und für die sogenannten "anderen Aufgaben der Jugendhilfe" (Drittes Kapitel SGB VIII) zuständig.
Schutzauftrag:
Der Schutzauftrag des Jugendamtes ergibt sich aus dem gesetzlichen Auftrag, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB-VIII). Zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos siehe (§ 8a SGB-VIII).
So weit die Theorie. Leider ist es in der Praxis häufig so, auch wenn das Jugendamt von einem Umgang der Kinder mit dem Stalker abrät (was selten genug passiert), das Umgangsrecht hier im Weg steht. Dieses Umgangsrecht sagt eindeutig aus, dass eine umgangsberechtigte Person zum Umgang berechtigt und verpflichtet ist.
Oft berichten Frauen, dass das Jugendamt vor allem die Interessen der Väter vertritt. Doch das scheint nur so. Das Jugendamt soll die Interessen der Kinder vertreten und geht erst einmal davon aus, dass zu einer gesunden Entwicklung auch beide Elternteile gehören. Die Kinder werden auch vom Jugendamt befragt, wo sie leben möchten und wie sie zu dem jeweiligen Elternteil stehen.
Das Jugendamt hat auch Erfahrung, was vor Gericht durchsetzbar ist und was nicht. Wenn also das Jugendamt einen geschützten Umgang fordert, so ist das schon sehr viel - wahrscheinlich das Maximum in dieser Situation, solange der Stalker noch nicht handgreiflich geworden ist.
Als Tipp für die Stalkingopfer gilt hier:
Reden Sie mit dem Jugendamt und verhalten Sie sich kooperativ. Dokumentieren Sie alles, jede Gefahrensituation für Sie oder die Kinder. Wann, wie und warum schadet die Stalkingsituation den Kindern? Machen Sie deutlich, dass es Ihnen um das Wohl der Kinder geht und stellen Sie nicht Ihre eigene Angst in den Vordergrund. Machen Sie deutlich, dass das Verhalten des Stalkers dem Wohl des Kindes schadet!
Kinder vor Gericht
Ab einem Alter von 5 Jahren werden Kinder beim Gericht gefragt, wie sie die Situation einschätzen, wo sie leben möchten (Aufenthaltsbestimmungsrecht, Sorgerecht) und wie sie zu den einzelnen Elterteilen stehen.
Die Stalkingsituation an sich ist schon recht traumatisierend für Kinder. Verschlimmert wird die Situation, wenn Kinder vor Gericht eindeutig Stellung beziehen, diese Meinung jedoch in keinster Weise berücksichtigt wird und/oder das Kind zum Umgang gezwungen wird. Häufige Aussage von Stalkingkindern: "Mir wird ja sowieso nicht geglaubt, da kann ich sagen, was ich will!"
Auf der einen Seite ist es positiv, dass Kinder überhaupt gefragt werden, allerdings sollte sich das auch im Ergebnis bzw. im Gerichtsurteil widerspiegeln. Oft wird eine negative Aussage der Kinder so dargestellt, als hätte die Mutter die Kinder beeinflusst.
Gehen Sie also davon aus, dass die Situation an sich sehr frustrierend und belastend für die Kinder sein kann. Umso wichtiger daher, dass die Kinder optimal auf den Gerichtstermin vorbereitet werden.
In der Regel ist es möglich und üblich, dass die Kinder in einem separaten Raum ohne Beisein der Eltern befragt werden. Wirken Sie darauf ein, dass dies auch wirklich so geschieht und dass ggf. eine Bekannte, eine Kinderfrau aus dem Frauenhaus oder eine den Kindern bekannte Sozialarbeiterin die Kinder begleiten darf.
Bereiten Sie die Kinder auf diesen Termin vor: zeigen Sie die Räumlichkeiten, lassen Sie sich von einem Rechtspfleger oder Anwalt den Ablauf erklären.
Erklären Sie den Kindern, dass sie die Wahrheit sagen sollen, unabhängig davon, ob es die Mutter oder den Vater verletzen könnte. Machen Sie die Kinder stark. Seien Sie selbst stark! Die Kinder brauchen nun eine starke Mutter und orientieren sich an Ihrem Verhalten!
Wichtig sind auch Ihre Aussagen vor Gericht. Erläutern Sie die Stalkingsituation und betonen immer wieder, dass es Ihnen nur um das Wohl der Kinder geht. Argumentieren Sie so sachlich wie möglich - so dass eine Beeinflussung der Kinder unwahrscheinlich erscheint.
Der Umgang
Nun soll es also so sein. Das Gericht hat einen Umgang für den Stalker bewilligt. Wenn Sie Glück haben, gibt es einen geschützten Umgang in Begleitung eines Vereins oder eines Sozialarbeiters.
Für den Umgang gilt folgendes:
Sie sind dazu verpflichtet, die Kinder positiv auf den Umgang einzustimmen. Sie dürfen nicht schlecht über den Vater der Kinder reden - er darf nicht schlecht über Sie im Beisein der Kinder reden.
In der Praxis befindet sich das Stalkingopfer in einer vollkommen schizophrenen Situation. Das Opfer selbst soll alles tun, um sich zu schützen, wechselt Wohnort, Telefonnummer, informiert Nachbarn, Verwandte und Bekannte über die bedrohliche Situation. Dasselbe Opfer, welches wirklich alles tut, damit die Stalkingsituation beendet wird, welches Anwälte, Opferschutzorganisationen einschaltet und den Stalker in jeder Situation ignoriert, dasselbe Opfer soll aber den Kindern sagen, dass alles in bester Ordnung ist und dass vom Vater keinerlei Gefahr ausgeht!
Hier sollte unbedingt etwas an dem Umgangsrecht geändert werden, denn in der Praxis funktioniert das nicht! Natürlich bekommen die Kinder mit, dass etwas nicht stimmt!
Daher fordern wir, dass der Umgang so lange ausgesetzt wird, bis die Stalkingsituation beendet ist!
Als Tipp auch hier wieder: suchen Sie sich einen guten Anwalt, der so etwas durchsetzen will! Bis dahin müssen Sie sich kooperativ verhalten - so schwer es auch fällt!
Ist der Umgangstermin vorbei, so ist eine genaue Dokumentation der weiteren Stalkingvorfälle wichtig. Welche Stalkingvorfälle kamen nur deshalb zustande, weil der Stalker über die Kinder oder den Umgang an Informationen gelangte, an die er sonst nicht herangekommen wäre? Diese Informationen sind wieder wichtig für den Anwalt, damit er gegen die Umgangsregelung vorgehen kann.
Manche Stalkingopfer berichten auch, dass der Stalker auf den Umgang verzichtet hat, sobald er in die Pflicht genommen wurde. Wie gesagt, geht es dem Stalker oft nicht um die Kinder, sondern um die Informationen und darum, die Mutter zu bestrafen.
Sobald der Umgang jedoch in Arbeit und Unkosten ausartet, verzichten einige Stalker doch auf den Umgang oder nehmen ihn nur unregelmäßig wahr.
Hier einen Rat zu geben, ist schwierig. Sie kennen den Stalker. Sie müssen entscheiden, ob der Stalker gefährlich für die Kinder sein kann oder nicht. Dabei müssen Sie Ihre eigenen Ängste ausblenden - was nicht möglich sein wird.
Somit wird Ihre Einschätzung immer subjektiv sein. Auf der anderen Seite ist dies genau die Taktik des Stalkers. Er möchte Ihnen Angst einjagen und eine bedrohliche Situation für Sie schaffen, um Sie zu bestrafen. Darunter jedoch sollten die Kinder nicht leiden.
Psychische Belastungen - posttraumatische Belastungsstörungen
Sie und Ihre Kinder befinden sich in einer Ausnahmesituation. Sie werden immer wieder feststellen, dass Sie alles menschenmögliche tun, um Gefahren für Ihre Kinder und Sie selbst abzuwenden und Sie werden dabei immer wieder Enttäuschungen und Hilflosigkeit erleben.
Ihre Kinder werden erleben, dass man vor einem Elternteil Angst haben muss und dass der andere Elternteil nicht helfen kann. Die Kinder werden sich möglicherweise auch schuldig fühlen oder ein schlechtes Gewissen haben. Dem kann man nicht mit sachlicher Logik begegnen. Die Kinder fühlen so, weil sich alle in der Familie schlecht fühlen.
Über einen längeren Zeitraum erlebte Hilflosigkeit kann zu einem Trauma werden. Leidet ein Mensch auch noch Monate und Jahre später nach der traumaauslösenden Situation an den Folgen, so nennt man dies posttraumatische Belastungsstörungen.
Damit es nicht soweit kommt, nehmen Sie Hilfe in Anspruch. Reden Sie mit Freunden, reden Sie mit Opferbetreuern, reden Sie sich das Leid von der Seele. Schauen Sie genau, wie es Ihren Kindern geht und nehmen Sie ggf. psychotherapeutische Hilfe in Anspruch.
Reden Sie ganz viel mit Ihren Kindern über deren Gefühle. Geben Sie ihnen das Gefühl, ernst genommen zu werden.
Feiern Sie auch Ihre Erfolge. Sie haben ein Näherungsverbot durchsetzen können oder ein Hausverbot? Ihre Nachbarn halten zu Ihnen und bieten sich als Zeugen an? Es sind die kleinen Erfolge, die Ihnen zeigen, dass Sie auch aktiv etwas gegen Ihre Stalkingsituation unternehmen können.
Studien zeigen, dass all jene Opfer weniger oder gar nicht unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, wenn sie selbst aktiv an der Abwendung der traumaauslösenden Situation mitgearbeitet haben.
Bei Ihren Kindern sieht das etwas anders aus. Sie erleben die Situation aus ihrer kindlichen Perspektive. Es kann sein, dass sie sich völlig normal entwickeln - vorausgesetzt, die Stalkingsituation hält nicht über Jahre an - es kann aber auch sein, dass sie erst viel später - während oder nach der Pubertät - auffällig werden. Es ist dann auch für einen Psychologen schwer zu erkennen, inwieweit diese Auffälligkeiten mit der Stalkingsituation zu tun haben.
Auch hier ist es schwierig, einen Rat zu geben. Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht, denn die Kinder brauchen eine starke Mutter und orientieren sich an Ihnen, wie man mit einer solchen Situation umgeht. Seien Sie ein Vorbild für Ihre Kinder und äußern Sie keinen Zweifel daran, dass Sie alle das schon hinbekommen und dass alles gut wird.
Achten Sie auf die Zeichen, die auf ein Trauma hindeuten könnten: Bettnässen, Schlafstörungen, Albträume, Konzentrationsstörungen, Durchfall oder Verstopfung vor oder direkt nach den Umgangsterminen, häufige Tagträumereien ("Wegtreten", dissoziative Störungen), Vermeidungsverhalten, Aggressivität, selbstverletzendes Verhalten usw. In all diesen Fällen sollten Sie die Kinder mal einem Arzt bzw. Psychiater vorstellen.
Kindesentführung
Ist das Sorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht noch nicht entschieden, so gilt eine Kindesentführung nicht als strafrechtlich relevant. Deshalb ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht so wichtig.
Auch nach einer solchen Regelung drohen und versuchen manche Stalker, ihre eigenen Kinder zu entführen, um die Mutter zu bestrafen.
Manche Stalker treiben sich vor dem Kindergarten oder der Schule herum mit der Begründung, "nur mal ihre Kinder sehen zu wollen". Hier werden die Kinder selbst zu Stalkingopfern.
An dieser Stelle sind folgende Dinge wichtig zu ermitteln und zu dokumentieren:
- Droht der Vater mit der Entführung der Kinder?
- Treibt er sich ständig in der Nähe der Kinder herum?
- Versucht er, die Kinder mit Geschenken o.ä. zu locken?
- Versucht er, Kindergärtnerinnen, Lehrer usw. unter Druck zu setzen?
- Ist der Vater Ausländer bzw. wie wahrscheinlich ist eine Entführung ins Ausland?
Für jede Mutter ist dies ein Horrorszenario. Falls eine solche bedrohliche Situation gegeben ist, sollte jeder ungeschützte Umgang sofort unterbunden werden. Es ist nach einer Drohung gegen die Kinder (dazu gehört auch die Kindesentführung) mit allen rechtlichen Mitteln gegen eine Umgangsregelung vorzugehen. Es ist hier auch keiner Mutter der Welt zuzumuten, angesichts solcher Drohungen, ihre Kinder herauszugeben bzw. positiv auf die Kinder einzuwirken.
Da Stalking inzwischen zum eigenen Straftatbestand erklärt wurde, hoffen wir, dass sich dies auch auf den Umgang mit Kindern auswirkt. Warum darf und soll ein erwachsenes Stalkingopfer alles tun, um dem Stalker aus dem Weg zu gehen, ein Kind darf dies jedoch nicht? Es kann und darf nicht sein, dass Kinder die Folgen dieser "Gesetzeslücke" zu tragen haben.
Als Ratschlag gilt alles bisher gesagte: rechtlich alle Register ziehen, die gesamte Umwelt über die Drohungen und das Stalking informieren und jede Drohung anzeigen!
Selbstverständlich haben solch massive Drohungen Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder: diese werden nicht mehr unbeaufsichtigt nach draußen zum Spielen geschickt, bleiben viel in der Wohnung, können nicht mehr alleine zur Schule gehen.
Hier ist es ganz wichtig, dass Sie Ihre Kinder nicht mit Ihren Ängsten erdrücken und zu sehr einengen! Auf der anderen Seite sind Ihre Ängste natürlich verständlich und berechtigt. Versuchen Sie dennoch den Spagat zwischen größtmöglicher Sicherheit für Ihre Kinder und den Freiräumen, die Kinder brauchen, um sich normal zu entwickeln.
Erziehung im Focus des Stalking
Sie stehen unter ständiger Beobachtung und damit auch Ihre Kinder. Oft zeigt der Stalker die Mutter bei der Polizei oder beim Jugendamt an mit den schlimmsten Horrorgeschichten. Damit erhöht sich natürlich der Druck auf die Mutter, eine ganz besonders gute und nette Mutter sein zu wollen und nimmt ihr damit ihre Natürlichkeit, mit den Kindern so wie früher umzugehen.
Oft steht hier die Drohung des Stalkers im Raum, der Mutter die Kinder wegnehmen zu wollen.
Hier geht es darum, dass der Stalker versucht, andere Leute und Institutionen für sein Stalking einzuspannen. Auch hier hilft nur Aufklärung. Machen Sie den Sachbearbeitern klar, dass sie hier instrumentalisiert werden und dass der Stalker diesen Zirkus nur veranstaltet, um Ihnen zu schaden.
Die Kinder spüren natürlich auch die Veränderung und dass sich die Mutter ganz besonders um die Kinder bemüht. Und Kinder wären keine Kinder, wenn sie das nicht für sich auszunutzen versuchen. Auf der anderen Seite brauchen Kinder aber auch Grenzen.
Manchmal hat das Stalkingopfer Angst, dass die Kinder beim Jugendamt oder vor Gericht gegen die Mutter aussagen, weil diese ihnen nicht jeden Wunsch erfüllt.
Diese Ängste sind jedoch unbegründet. Wenn Sie sich in Fragen der Erziehung während der Stalkingsituation nicht sicher fühlen, so gehen Sie auf das Jugendamt oder auf eine Erziehungsberatungsstelle zu. Es ist vollkommen OK, wenn Sie um Hilfe bitten und sich beraten lassen. Es ist auch für den Sachbearbeiter eines Jugendamtes einfacher, Ihre Situation einzuschätzen, wenn Sie offen und ehrlich mit dieser schwierigen Situation umgehen.
Landesverband NRW Stalking - Opferhilfe e.V. -Antistalkingliga- 45739 Oer - Erkenschwick Postfach 44225 Dortmund Selbsthilfeorganisation für von Stalking ausgelöste Existenzängste und psychosomatische und psychoneurotische Störungen Anfragen richten Sie bitte per Mail an: Redaktion-Sachbearbeitung@gmx.de Telefon: Telefon | +49 0209 - 88339422
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Information - Beratung und Hilfe durch Betroffene und Experten wie Psychologen und auf Stalker-Recht spezialisierte Rechtsanwälte - Kontakt bevorzugt per E-Mail unter antistalkingliga@gmx.net für Mitglieder und redaktion-sachbearbeitung@gmx.de für sonstige Anfragen.
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